A Visit to the Minotaur – Eine Film-Performance des I-Do Lab (Ukraine)
Curated and introduced by Johannes Birringer
Am 7. Dezember 2022 fand in der Gallery Puzić ein besonderer Film-Abend statt, der nicht nur Gelegenheit bot, verschiedene Werke der gegenwärtig ausgestellten Künstlerinnen und Künstler in der neuen Galerie zu betrachten, sondern dem Publikum ein Angebot zur Reflektion über Krieg, Kunst und Frieden machen wollte. Der Stoff zum Nachdenken war brisant und ungewöhnlich zupackend, zumindest im Kontext der bildenden Kunst wie auch der Medien- und Nachrichtenübermittlung über den Krieg, der seit Februar die Ukraine heimsucht.
“Heimsuchung” ist kein glücklicher Begriff, denn existentiell tödliche Gefahr und infrastrukturelle Zerstörung betreffen die Menschen vor Ort unmittelbar und brutal; die Frage, was noch Heimat sein wird, ist für die Geflüchteten unbeantwortbar. Heimgesucht auf andere Art werden auch alle Staaten in Ost- und Westeuropa, die Regierungen der EU und NATO Bündnispartner, die sich politisch direkt oder indirekt gefordert sehen, wie auch alle Menschen und Organisationen, die humanitäre und wirtschaftliche Hilfe leisten wollen. Befürwortung militärischer Hilfe für die Ukraine ist kontrovers, Stimmungen wandelbar. Die Kunst ist erst einmal nicht an der Diskussion um notwendige Hilfeleistungen oder Versorgungen von Kämpfenden und Flüchtlingen beteiligt, aber sie ist auch ein Medium der Darstellung und des Anstosses, sie partizipiert politisch mit ihren Mitteln, auch gerade wenn sie sich wegduckt (oder wegducken muss), um die Suppe nicht auszulöffeln, die sie sich eingebrockt hat.
Wenn Menschenrechte und Frieden bedroht sind, wenn Museen bombardiert werden, dann ist es eigentlich keine Frage, dass auch die creative industries (wie man sie in England nennt) sich einmischen, dass Künstler nachforschen und mit Publikum – wie es ja auch immer der hehre Anspruch des Theaters gewesen ist – in einen öffentlichen Dialog treten. Hehre Regungen sind aber nun auch vielfach kritisierbar in den gegenwärtigen Diskursen.
Man stellt sich: die Gallery Puzić eröffnet mit dieser Veranstaltung eine programmatische Serie mit thematischen Schwerpunkten und interdisziplinären Projekten (Film, Musik, Schreiben, Malen, Performance, Workshops), die das Ausstellungsprogramm begleiten sollen in den nächsten Monaten und Jahren. Galerist Esad Puzić, selbst Maler, hat die von Gernot Neuheisel 1982 gegründete (und in den letzten 10 Jahren von Benjamin Knur geleitete) Galerie Neuheisel übernommen. Im Juni 2022 trat Puzić mit einem neuen Konzept für ein modernes Kunstforum an die Öffentlichkeit und begann auszustellen, wobei es sein erklärtes Ziel ist, vielfältige und auch inklusivere Ausdrucks-Formen zu fördern, um freischaffende KünstlerInnen, besonders auch solche mit Migratonshintergrund, in den Blickpunkt zu rücken. Puzić kam Anfang der 1990er Jahre ins Saarland, als er vor den Kriegswirren in seiner Heimat Bosnien fliehen musste, d.h. sein Lebenshintergrund ist auch eine Erfahrung ethnischer/religiöser Konflikte und ideologischer Katastrophen, mit der er und seine Familie sich auseinandersetzen mussten.
Die Veranstaltung Besuch beim Minotauros berichtet von einer Katastrophe, mittels Zeugenaussagen – direkt in Handys gesprochen – von vorwiegend jungen Menschen in verschiedenen Städten der Ukraine: Kyiv, Kherson, Lysychansk, und New York (Nowhorodske). Die letztere Kleinstadt, in der Nachbarschaft des Separatistengebiets von Donezk gelegen, ist gleichzeitig das Verbindungsglied, denn hier arbeitete die ukrainische Regisseurin Olga Danylyuk bereits 2017 mit Gymnasiasten an einer Austellung und Performance über deren Erlebnisse des Konflikts in the Ostukraine. Der Kurator des Filmabends, der im Saarland geborene und in den USA bzw. England lebende Choreograf Johannes Birringer, wirkte damals als aussenstehender Freund aus dem amerikanischen New York mit, indem er Video und Audio-Botschaften an die jungen Menschen schickte, um ihren Mut zu bestärken.
Nach langjährigen Kontakten mit Danylyuk wurde Birringer dann im Herbst 2022 erneut zum Mitmachen eingespannt und in Kenntnis gesetzt, dass die in Kyiv lebende Regisseurin, die auch in London ihre Theaterforschungen fortgesetzt hatte, mit ihrer Künstlergruppe I-Do Lab eine neue Produktion vorbereitete. A Visit to the Minotaur wurde am 3. November im Londoner Cockpit Theatre als Live Stream aufgeführt (live aus Kyiv) und kombiniert Zeugenaussagen, Originalvideos und -fotos, die für das Projekt bereitgestellt wurden, und dokumentarische Beweise aus sozialen Medien – alle beziehen sich direkt auf tief bewegende persönliche Erfahrungen vor allem jugendlicher Menschen in der Ukraine während der ersten Tage, Wochen und Monate des Kriegsausbruchs.
Mit neuen Untertiteln unterlegt, kann der jetzt in Saarbrücken in der Gallery Puzić zum ersten Mal in Deutschland vorgestellte Film Besuch beim Minotauros als eine dokumentarische Performance bezeichnet werden, die wie keine andere authentische Ich-Geschichten direkt aus der vom Krieg heimgesuchten Ukraine erzählt.
Die Aufführung verbindet die ZuschauerInnen virtuell mit echten Menschen, die vom Krieg plötzlich überrascht und gefangen werden. Sie werden in Häuser, Zimmer, Schutzkeller eingeladen. Sobald Sie das Labyrinth des Minotaurus betreten, ist Ihr Leben in ständiger Gefahr. Niemand weiß, wann der letzte Abschied kommt… ein Einkaufsbummel wird zu einem Ausflug in die Schützengräben, die Flucht zu Omas Haus führt zu einem Monat in der Hölle, eine verpasste Evakuierung rettet einem das Leben. Eine Mutter steht vor der schwierigsten Entscheidung: Welches ihrer behinderten Kinder wird sie auf eine heimliche Reise aus besetztem Gebiet mitnehmen? Das kann nicht wahr und real sein. Die Welt scheint verrückt zu werden. Aber es gibt noch Hoffnung: Vielleicht ist es möglich aufzuwachen und alles wird wie gewohnt sein? Aber der Albtraum ist Realität und der Minotaurus ist dabei, sein nächstes Opfer zu fordern.
In einer kurzen Einführung zur Arbeit von Olga Danylyuk und der entstandenen Verbindungslinien projiziert Birringer ein paar stumme Bilder in den Raum: ein Foto des Chanenko-Museums in Kyiv, auf dem Reinigungsfrauen zu sehen sind, wie sie die Scherben der zerborstenen Fenster aufkehren, ein paar Illustrationen des “Tagebuchs aus Kiew” von Sergiy Maidukov, sowie eine Skulptur (“Minotaurus”) aus der Serie “Der Zorn des Achilles” des ukrainischen Bildhauers Volodymyr Ivanov, der an diesem Abend ebenfalls in the Galerie zugegen ist.
Ausserdem wird eine Karte der angegriffenen und besetzten Gebiete der Ukraine gezeigt, sowie ein Kommentar des Bildhauers Ivanov mit einem Zitat der Regisseurin gekoppelt, beide sollen hier wiedergeben werden.
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Der Krieg stellt alles auf den Kopf. In erster Linie geht es um unsere Wahrnehmung der Welt. Das Lokale und das Globale tauschen plötzlich die Plätze. Was gestern noch privat, lokal und vermessbar erschien, ertönt plötzlich laut, schrill, und offenbart eine epische Verbindung zu Prozessen von planetarischem Ausmaß.
Volodymyr Ivanov
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“Наші люди міцніше за сталь – Our people is stronger than steel”, they say in Donbass. But – what does that mean for kids and teenagers who saw their innocence and hopes shattered by the Donbass conflict? In “Листи незнайомому другу з Нью-Йорка – Letters to an unknown friend from New York”, 13 teenagers from Novhorodske (New York) tell their stories with honesty and simplicity. They talk and sing about present times and imagined future.
Olga Danylyuk
(Letters to an Unknown Friend in New York, 2017)
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Nach der Filmvorführung leiteten die Malerin/Filmdramaturgin Uschi Schmidt Lenhard und Johannes Birringer die Diskussion mit dem Publikum und baten um Reaktionen auf die Inszenierung. Zuerst konnte man feststellen, dass der gut gefüllte Galerieraum verstummt war. Eine gewisse Schwere lastete auf allen – die Augenzeugenberichte und Erinnerungen der betroffenen Frauen und Jugendlichen waren roh und unverstellt, auch kaum von Bildern aus sozialen Medien begleitet, nichts lenkte von den Gesichtern im Film ab, obwohl es einmal eine Sequenz einer Fahrt durch eine zerstörte Vorstadt gab, während die Kiewerin Oksana davon spricht, wie sie in leerstehenden Häusern nach Nahrung suchte, weil es tagelang kein Essen für die Kinder gab. Irgendwann sind da auch surreal schemenhafte Aufnahmen eines russischen Helikopterangriffs – schwarze am Himmel schwebende Vögel, mit zitternder Hand gefilmt.
Aber vorwiegend drangen nur die Stimmen der einzelnen Menschen zu uns, face to face mit der Kamera, mit dem typisch vertikalen Bildausschnitt der Handys. Stimmen, die manchmal schnell und hastig erzählten, wie atemlos, dann aber auch nachdenklich nach Erinnerungsfetzen suchend und sie wie ein Puzzle zusammensetzend. Oder stockend, um Luft ringend. Die Tränen zurückhaltend. In verzweifeltes Lachen ausbrechend ob der wahnwitzigen Suche nach einer während des Bombenalarms verschollenen Katze.
Hätte man an diesem Abend, wie es jetzt häufiger in deutschen Theatern praktiziert wird, einen Warnzettel verteilen müssen, um vor Risiken und Nebenwirkungen zu warnen? „Diese Inszenierung enthält explizite erzählende Darstellungen körperlicher, militärischer, psychologischer und sexualisierter Gewalt, was belastend oder retraumatisierend wirken kann.“
Die Warnung war sicherlich nicht notwendig, aber die Zuschauerinnen und Zuschauer bemerkten auch schnell, dass man nicht einfach oder einfältig vom Krieg, oder auch vom Wunsch nach Frieden, sprechen kann, dass man Betroffenheit nicht nur emotional eingestehen, reflektieren oder intellektuell umschreiben kann, sondern dass es auch erst einmal wichtig wäre, das Erzählte verstehen zu wollen und sich anzueignen – eine Art Heimsuchung? Umschreibungen wirken erst einmal hilflos, aber sie mögen wichtig sein.
Es sind ja auch ganz unterschiedliche Geschichten, unterschiedlich rezipierbar. Wobei manchmal alltägliche kleine Sorgen und Banalitäten (wo kann ich Lebensmittel kaufen, hat Grossmutter die Medizin eingepackt, kann ich mir ein Bad einlassen um mich zu entspannen, warum ärgert mich der Dozent in der Vorlesung, warum steht Vater im Garten und schaut fassungslos gen Himmel – wo doch keine Engel sichtbar sind) sich mit dramatischen und jähen Schreckensbildern abwechseln.
Und der Schnitt des Films spricht ebenso eine fluide, manchmal eigenwillig rhythmische Sprache, abgehackt wie von einer Machete tauchen die Namen und Orte auf, Menschen sprechen von Raketen und Kontrollpunkten, kaputtem Gerät auf Strassen, Löchern in Wänden und Strümpfen, dem Geschmack von Kondensmilch, unterbrochen immer wieder von der mythisch-politischen Figur des Minotauros, der im Luftschutzkeller geduldig auf seine Opfer wartet.
Dieses Warten ist eine grauenhafte Provokation, von einem männlichen Schauspieler dargestellt, der im Film gleichsam auf uns (als Screen) entgegenkommt und auf den Spiegel drückt, um die Zeugen aufzurufen. Es ist ein gespenstischer cineastischer Verweis auf Steven Spielberg SciFi-Thriller Minority Report, in dem Wahrsager – die Precogs – in ihren Visionen zukünftige Verbrechen voraussehen, um dieses Vorherwissen den Ermittlern zukommen zu lassen.
Besuch beim Minotauros stellt die präkognitive kriminelle Fiktion in den Schatten, denn hier werden von jungen Menschen eigentlich Erzählungen ihrer Fassungslosigkeit und des anfänglichen Unglaubens vermittelt, dass ein Krieg Wahrheit geworden sein kann, dass man das Mögliche einfach als Nichtmöglichkeit verdrängt hatte, und das Verdrängung sogar während der ersten Kriegswochen weiterhin funktioniert bzw in eine andere Art von Akzeptanz umfunktioniert und adaptiert wird. Wirklichkeit ist Wirklichkeit im Hier und Jetzt, man lernt die Tonarten der Raketengeschosse und Mörser zu unterscheiden. Man fegt Glassplitter beiseite. Im Chanenko-Museum in Kyiv sind die Gemälde abgehängt und in Sicherheit gebracht worden. Nur doch die Schildchen an den Wänder verraten, welches Bild hier hing.
Schmidt Lenhard wies in ihrer Moderation ernsthaft auf den pazifistischen Ansatz hin, auf ihren unverückbaren Glauben an die Vernunft des Friedens. An jene müsse von uns allen festgehalten werde: der Krieg sei noch nie eine Lösung gewesen. Dem Verhalten des vorwiegend einheimischen Publikums nach zu urteilen, stimmten viele dem Wunsch nach Frieden zu, verständlicherweise, doch Bildhauer Ivanov widersprach in heftiger Form. Nicht nur könne er die Schilderungen der jungen Leute im Film bestätigen; er wolle auch nicht auf die Schreckensszenarien des Kriegs, oder zum Beispiel der Zerstörung Mariupuls eingehen, aber für Ukrainer, stellte er in den Raum, zähle jetzt nur der Sieg als Ende des Krieges. In Ivanovs bebender Stimme schwang der Zorn des Achilles mit, und man kann erahnen, was er mit seinen stählernen Kunstwerken mit Verweisen auf mythische Echos aus der europäischen Katastrophengeschichte (samt ihrer unsäglichen Gründermythen) untersuchen wollte.
Im Gespräch mit Ivanov stellt sich später heraus, dass er selbst überrascht wurde vom Lauf der Geschichte: Die Serie “Zorn des Achilles” wurde bereits vor 30 Jahren unter Benuztung saarländischen Stahls geschaffen, dann 15 Jahre später auf den Felsen der Schwarzmeerinsel Zmiinyi (Schlangeninsel) ausgestellt und landeten dann in den Hallen des UN-Palastes in Genf. Wiederum 15 Jahre später kehren die Skulpturen in das Saarland zurück, mit dem Auftrag, sich für den Beitrag zur Verteidigung der Freiheit und der europäischen Werte zu bedanken (so heisst es auf Ivanovs Website).
Diese Werte sind fragwürdig, genau wie Verstummen und Zorn gerade auf unsere notwendigen kognitiven Dissonanzen hinweisen. Ein Beobachter aus der Schweiz, der Germanist Heiner Weidmann, bezog auf die Diskussion folgendermassen Stellung: Zwei Dinge gingen nicht recht auf für ihn – zum einen die Sprachlosigkeit, das überwiegende Ausbleiben einer Diskussion. Warum sollte es das geben, dass man zu X einfach nichts mehr sagen kann, gerade wenn X nicht einfach ein Factum brutum ist, sondern ein Film, der durch unzählige Formentscheidungen zustandegekommen ist. Und auch wenn Factum brutum: sogar Dinge, die in ihrer Vollkommenheit oder Entsetzlichkeit oder Schönheit eine undurchdringliche Oberfläche bieten, kann man durch Denken mechanisch sprengen oder chemisch auflösen, so dass die Gediegenheit weg ist und die inneren Spannungen explodieren.
Oder hängt das vielleicht mit dem zweiten Punkt zusammen, fragt Weidmann – Nicht Frieden, sondern Sieg. Das heisst, es ist kein echtes Entsetzen, die Bilder des Krieges zu sehen, sondern Anlass zum Hass, Motivation zum Krieg dagegen, der diesmal ein gerechter, unvermeidlicher ist. Ist vielleicht durch die Inszenierung des Minotauros Mythos doch eine Ästhetisierung des Krieges (halt von der Opferseite her) passiert, die ihn grandios macht wie eine Naturkatastrophe (und vergessen macht, dass es auf der anderen Seite der Front auch solche Keller und Gänge gibt mit Opfern und Überlebenden drin). Hier berührt Weidmann ein ganz wunden Punkt, den wohl Schmidt Lenhard auch impliziert, es sterben Ukrainerinnen und Ukrainer, aber es sterben auch junge russische Menschen, derer Familien vielleicht weitgehend durch Propaganda im Unklaren darüber gelassen werden, wer für was stirbt.
Weidmann fügt resignierend an, da Russland militärisch viel weniger gut gerüstet war, als es die jährlichen Paraden auf dem Roten Platz vormachten, und da Russland Schwächen hatte auf dem Schlachtfeld, mag es nun unvernünftig erscheinen, zu verhandeln (bevor die günstigsten „Tatschen geschaffen“ worden sind). Und dass es sich um einen aufgezwungenen Krieg, einen Angriffskrieg handelt, mache die grössten Kriegsgegner stumm. Und wenn die Ukrainer den Krieg, jedenfalls ihren, nicht sinnlos finden, wer kann sie davon abhalten, Kriegsbefürworter zu sein? Und der Film hat dem Publikum nicht die Sinnlosigkeit des Krieges vor Augen geführt, sondern die Bösartigkeit und Verworfenheit des Überfalls. Der Zorn des Achilles, darauf verweist Weidmann, ist ja eigentlich der Zorn über den Tod des geliebten Freundes Patroklos, der den in Streik getretenen, militärdienstverweigernden Achilles wieder in die Schlacht treibt, wütend und tobend und dadurch den Sieg der Griechen herbeiführend, wie er es als blosser Kriegsbeteiligter nicht hätte tun können.
Besuch beim Minotauros zeigt diesen Zorn nicht sondern hält ihn verdeckt, die jungen Menschen, Töchter, Enkelinnen, und Mütter sprechen über Entscheidungen, die getroffen werden müssen, Flucht, Dableiben, Nachbarschaftshilfe, Sorge, Vorsichtsmassnahmen, usw. Im Südosten der Ukraine, im russisch besetzten Mariupol, spielt sich derweil ein groteskes Schauspiel einer reanimierten stalinistischen Kulturpolitik ab, nämlich die von den Okkupanten veranlasste Konstruktion einer riesigen potemkinschen Attrappe, die als Sichtschutz mit aufgemalten Porträts grosser Dichter (Puschkin, Tolstoi, Gogol, Schewtschenko) vor die Ruine des vollkommen zerstörten Theaters gehängt wurde. Vielleicht ist es die Schwäche der Kunst, so verschiedenartig instrumentalisierbar zu sein, was gleichzeitig ihrer Bedeutung keinen Abbruch tun mag, sondern eher ihren grotesk unverhältnismässigen Wert in unseren Gesellschaften bestätigt.
Film Credits:
Wednesday, 07.12. 2022, 19:00 Uhr
„Besuch beim Minotauros“
Eine Film-Performance des I-Do Lab (Ukraine)
Regie: Olga Danylyuk
Mitwirkende: Karina Varfolomeeva, Milena Medvid, Lisa Podgaiko, Oxana Avramenko, Michael Onyshko, Anatoliy Zavorotniy, Esmira Gasanova.
Künstlerische Mitararbeit: Roman Grygoriv (Musik), Bogdan Ilchishin (Video design). Fedir Aleksandrovych (Grafik), Richard Danylyuk (Subtitles in English/Übersetzung), Oleksiy Musika (Stream), Johannes Birringer (Voice over/Subtitles in German/Übersetzung).