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Die Frau in der Kunst

Wahrnehmungen dazu und eine subjektiv-eigenwillige Einführung

 

Uschi Schmidt Lenhard

 

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Die Frau in der Kunst – Das ist natürlich ein riesengroßes Thema. Ich aber werde hier, jetzt, nur einen kleinen Vortrag halten, mit meinen subjektiven, vielleicht auch eigenwilligen Wahrnehmungen. [1]

 

Die Frau in der Kunst, das dürfte keine gegenteilige Meinung hervorrufen, ist so unterrepräsentiert wie auf anderen öffentlichen Gebieten und in fast allen Religionen auch. Über die Gründe dafür ist auch bereits vielfach nachgedacht worden, meist in Begriffen, die wiederum Unmut hervorgerufen haben. Junge Frauen wollen darum mit dem abgenutzten Wort „Feminismus“ vielfach nichts mehr zu tun haben. Sie „fühlen“ sich gleichberechtigt…Was natürlich nicht stimmt.

Die Begriffe „Feminismus“, „Patriarchat“, „alte weiße Männer“ bezeichnen zwar bestimmte Beobachtungen, aber sie grenzen aus und fördern Unfrieden. Sie führen dazu, dass sich Männer zum Beispiel nicht angesprochen fühlen bei dem Begriff „Feminismus“ und davon ausgehen, dass sie sich darum nicht zu kümmern bräuchten.

 

Bleiben wir daher also erst einmal bei der Frage nach den Wirkungen, den Wirkungen nach innen und außen, die die nicht zu leugnende Unterrepräsentanz von Frauen hervorruft. Und danach, wie unsere Wahrnehmungen dadurch geprägt werden. Unsere Selbst- und Fremdwahrnehmungen.

 

Was macht es mit den Mädchen, mit den Jungen, wenn man überall sieht, dass es viel mehr Politiker gibt als Politikerinnen, viel mehr Professorinnen als Professoren, viel mehr Künstler als Künstlerinnen? Wie viele Philosophinnen sind bekannt? Wie viele Komponistinnen? Wie viele Malerinnen? Warum gibt es sie nicht, werden die Mädchen und die Jungen fragen? Es gibt sie! Aber sie werden nicht wahrgenommen. Wie wirkt sich das auf den Vorbildcharakter aus?

Dabei kann man unterscheiden zwischen der Frau als Subjekt und als Objekt der Darstellung. Bei der Frau als Objekt der künstlerischen Darstellung gibt es wahrscheinlich keine nennenswerten zahlenmäßige Unterschiede zum Mann. Allerdings vielleicht in der Art, wie auf sie geschaut wird, wie sie wahrgenommen wird, durch den männlichen oder durch den weiblichen Blick.

Anders sieht es aus, wenn man die Frage stellt, wie viele Frauen sichtbar sind als Gestalterinnen von Kunst, als Künstlerinnen (auch Wissenschaftlerinnen), als Museumsleiterinnen, Galeristinnen, also im Hinblick auf die Frau auf dem Kunstmarkt. Wie viele Frauen also gehören zu denjenigen, die auswählen, wer ausgestellt wird oder nicht. Wie viele Frauen gehören zu denjenigen, die die Normen setzen? Das ästhetische Urteil fällen?

 

 

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Am 13. Dezember 2017 fragte ich per Mail beim Saarlandmuseum nach:

Bitte könnten Sie mir sagen, wie viele Kunstwerke derzeit in der Modernen Galerie ausgestellt sind und wie viele davon von Künstlerinnen stammen?

 

Am 4. Januar 2018 erhielt ich die Antwort:

In der Modernen Galerie sind derzeit ca. 370 Kunstwerke ausgestellt, davon ca. 25 von Künstlerinnen. Dabei spielt die Künstlerin Pae White mit ihren Rauminstallationen, die zwei ganze Räume umfassen, aktuell eine besonders prominente Rolle, die sich nicht nach der Anzahl der Werke beurteilen lässt.

Am 25. Mai 2018 fragte ich bei der Deutschen Radio Philharmonie, beim SR, nach:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ist es Ihnen, ohne größere Umstände, möglich, mir mitzuteilen, wie viele (und welche) Komponistinnen – im Vergleich zu den Komponisten – Sie in der kommenden Saison zur Aufführung bringen werden?

Drei Tage später erhielt ich die Antwort:

Liebe Frau Schmidt,

in unserem sinfonischen Repertoire der kommenden Saison taucht leider keine Komponistin auf.

Darf ich den Grund Ihrer Frage erfahren?…

 

Am 6.2.2023, auf SR 2, vor den 9 Uhr Nachrichten stellte Gabi Savacs eine CD mit lauter Musikerinnen vor. Die CD heißt „Femme“.

 

Heißen die CDs mit lauter Männern „Homme“?

Um deutlich zu machen, worum es mir hier geht, ist, dass CDs mit Männern die Norm bilden, während man CDs mit Frauen als solche kennzeichnen zu müssen glaubt.

 

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Der Wahrnehmungsfokus

Der Wahrnehmungsfokus auf den Mann ist noch immer das Normale. Das registrierte auch Waltraud Schiffels, die vor ihrem Geschlechtswechsel vom Mann zur Frau Germanist am Lehrstuhl für deutsche Literatur an der Uni war. Als Frau erst wurde ihr das bewusst, und sie schrieb: „Wieso war meine gewußte Literaturgeschichte eine Geschichte schreibender Männer gewesen? Weil sie meine Literatur geschrieben hatten! O ja.“ [2] Und als Frau gestaltete sie nun ihre ganze Welt und Weltgeschichte um. Sie sah die Welt nun mit „neuen“ Augen, unter neuen Perspektiven.

 

Wenn sich Männer in Fachzeitschriften, im Feuilleton über Kunst, Literatur oder ähnliches äußern, ist es keine Seltenheit, wenn sie sich nur auf Männer konzentrieren. Dass keine Frau dabei erwähnt wird, fällt nicht weiter auf.

 

Wenn Männer Literatur schreiben, ist das Literatur.

Wenn Frauen Literatur schreiben, ist das Frauen-Literatur.

 

Was also passiert mit uns, also mit Männern, mit Frauen, wenn uns die Weltwahrnehmung durch den Fokus von Männern vermittelt wird? Wenn durch sie die Auswahl darüber fällt, was wichtig, was unwichtig ist und welche Werte gelten.

 

Vor einiger Zeit sprach ich mit einer jungen Autorin, die mir erzählte, dass sie als Schülerin den damals noch immer verpönten Henry Miller gelesen habe. Es habe ihr gefallen, damit gegen „die Moral“ verstoßen zu können. Später aber sei ihr bewusst geworden, dass sie sich mit dem Erzähler, also mit dem Mann, identifiziert hatte. Dann sei ihr die Freude an der Lektüre vergangen, nun habe sie erkannt, wie gedemütigt die Frauen in seiner Literatur wegkamen.

Beim Kauf eines neuen Germanistik-Studienbuchs, 2014, fiel mir auf, dass im Personenregister keine Wissenschaftlerinnen auftauchten. In einem Buch über die „Philosophie des 20. Jahrhunderts“ hatte man die Frauen auch „vergessen“. Aus dem Jahr 2013 stammt das Buch von Wolfgang Welsch „Glanzmomente der Philosophie“. Von Heraklit bis Julia Kristeva, heißt es im Untertitel. Klasse, dachte ich. Es ändert sich was. Doch dann stellte sich heraus, dass Kristeva tatsächlich die einzige Philosophin war, die erwähnt wurde, und auch nur in einem kurzen Abschnitt. Also doch nur ein Zugeständnis und keine Einsicht, dachte ich.

 

Ich frage meine gebildeten Freunde, ob sie Philosophinnen kennen. Kaum jemand kennt welche. Warum nicht? Es ist also nicht nur, wie ein Mann spekulierte, dass die Frauen keine Zeit hatten wegen Kindern und Haushalt für berufliche, künstlerische Tätigkeiten, sie wurden und werden in vielen Kulturen noch immer nicht zugelassen zu Studium von Wissenschaft und Kunst. Genau wie die Frauen, die im Bauhaus ausgebildet werden wollten, nur für die Handarbeiten zugelassen wurden. Auf meine Frage nach den Komponistinnen gab man mir die tröstende Antwort, dass es mittlerweile einige Bücher extra über Komponistinnen gebe. Ja, danke, sagte ich, das weiß ich. Aber ich möchte eigentlich hören, wie sie klingen.

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Wie männlich ist die Weltwahrnehmung?

Wie männlich ist die ästhetische Geschmacksbildung, die daraus folgt? Und welche Normen bilden sich dadurch heraus? Ich war zweimal in Chicago. Zunächst vom Hotelzimmer aus betrachtete ich, wie die Trassen der U-Bahn überirdisch verliefen zwischen den Häusern, etwa in der Höhe des dritten oder vierten Stockwerks. Ich fragte mich, wer auf die Idee komme, so etwas zu planen. Hat jemand an die Menschen gedacht, die da wohnen, die da gehen? Was ist der Mensch in diesen dunklen Straßenschluchten? Wie wirken die Hochhäuser auf die Menschen in der Straße? Wie hoch kann man ein Haus bauen? Einen „Wolkenkratzer“. Warum? Später erfuhr ich in einem Architektur-Beitrag, dass es unter den Großstädten der Welt eine Konkurrenz darüber gebe, wer den höchsten Turm habe … Es sind die Architekten, die in der Konkurrenz darüber stehen, offensichtlich nicht die Architektinnen. Erfuhr ich in Chicago.

 

Ich möchte hier und heute und auch sonst nicht hetzen oder jemanden angreifen. Weder die Männer, noch die Frauen. Das tut man anderenorts bereits genug. Hetze, Häme, Herabminderung, Verunglimpfung sind mehr oder weniger zerstörerisch und bisweilen sehr gefährlich.

Ich will nur über das, was mir auffällt, nachdenken. Will Gründe suchen und Auswege.

 

Vielleicht auch als einen programmatischen Entwurf für ein zukünftiges gemeinsames Kunstschaffen, in dem ein Titel wie „Die Frau in der Kunst.” hinfällig würde.

 

“Rilke”, schrieb Klaus Modick in seinem Roman „Konzert ohne Dichter“ [3] sei „ungeheuer stolz gewesen auf sein Werk.“ Er habe Exemplare davon den Männern, den Malern, mit denen er sich darin beschäftigt hatte, mit großen Gesten und pathetischen Widmungen überreicht. Paula Modersohn-Becker und Rilkes Ehefrau Clara Rilke-Westhoff bekamen kein Buch. “Als Künstlerinnen“, schreibt er, „kamen sie gar nicht vor, nicht einmal als Ehefrauen. Da konnte Clara noch so gehorsam bei Rodin studieren – Frauen waren für Rilke Geliebte, Musen bestenfalls. (…) Es bedeutete, dass die Dichter das Sagen hatten, die Maler das Zeigen, und den Frauen blieb das Sein. Insbesondere das Da-Sein, das ständige Bereit-Sein für die Dichter und Maler. “

Warum war, warum ist es heute noch so, in vielen Kulturen, vor allem in fast allen Religionen, dass die Frau als solche keine Beachtung findet? Einmal fragte die Journalistin einen Bischof, ob sie auf der Konferenz auch über die Frauenordination beraten würden. Nein, bekam sie zur Antwort, daran sind wir nicht interessiert. Im Denken vieler Männer spielt die Frau keine ernstzunehmende Rolle. Im generischen Maskulinum ist sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht einmal „mitgemeint“.

 

Es gab und gibt verschiedene Studien, die sich mit Frauen- und Männerverhalten beschäftigen. Auch während meines Studiums habe ich mich sehr dafür interessiert. In der Soziologie untersuchte man eine geschlechterspezifische Körpersprache, in der Linguistik das Sprachverhalten von Frauen und Männern. Dabei ist immer die Frage: Was ist biologisch? Was ist rollen-spezifisch? Wie etwa u.a. Simone de Beauvoir oder Judith Butler es vorgedacht haben.

 

Dabei sollte man nicht auf „die“ Frau oder „den“ Mann an sich eingehen, denn wir wissen alle, dass diese Konstruktion in ihrer Reinform nicht auftritt. Andere Menschen sind anders. Dennoch gibt es Unterschiede, die man als typisch Frau oder als typisch Mann offensichtlich einstufen kann.

 

Vielleicht könnte man mit dem, hoffentlich, neutralen Begriff, „Prinzipien“ weiterarbeiten? Prinzipien sollen die Verhaltensnormen genannt werden, die sich bei der Betrachtung der unterschiedlichen Verhaltensweisen herausstellten.

 

Man gab den Männergruppen und Frauengruppen dieselben Aufgaben zu lösen und beobachtete die unterscheidbaren, unterschiedlichen Wege, die sie bei der Lösung der Aufgaben, anstrebten. Die Frauen setzten sich zusammen und überlegten solidarisch, oder im Team, den Weg zum Ziel, derweil die Männer zuerst einen Chef wählten, um dann an die Lösung der Aufgaben zu gehen.

Die Gruppen lösten die Aufgaben übrigens gleich gut.

 

Was kann man daraus schließen? Was folgt daraus? Und ist oder wie ist das übertragbar auf gesellschaftliche Belange?

 

Das Prinzip von Team-Bildung oder das solidarische Prinzip, hat eher das Ziel im Auge. Dabei steht nicht der Einzelne im Mittelpunkt, sondern das Ziel, die Lösung des Problems.

 

Einen Chef zu wählen bedeutet, dass sich die übrigen Gruppenmitglieder unterordnen. Das heißt, es entsteht eine Hierarchie, ein hierarchisches Denken. Dazu muss der Chef jeweils seine überragende Kompetenz immer wieder behaupten. Damit einher geht ein gewisser Eigennutz. Er muss sich selbst nützen, um seine Position zu behalten. Und folgerichtig entsteht daraus die Konkurrenz. Der Konkurrenz-Kampf. Man muss sich also immer wieder messen mit anderen, um herauszufinden, wer der beste, der größte, der schnellste ist oder wer den höchsten Turm baut. Da gibt es also immer Sieger und Besiegte, und es gilt das Prinzip der Abgrenzung. Der Ausgrenzung der anderen.

 

„Ich glaube, Rilke redet gar nicht von dir“, sagte Paula zu ihrem Mann. „Er redet auch nicht von Vogeler oder Mackensen oder Overbeck. Er redet nur von sich selbst. Er redet immer nur von sich selbst. Ich, meiner, mir, mich. Das ist so seine Rede. Das ist aber nicht die rechte Art, über Kunst zu schreiben. Und dann diese Vorsichtigkeiten und die Angst, es mit jemandem zu verderben, der einem im späteren Leben noch einmal nützlich sein könnte. Diese Strebertum! Diese Anbiederei! Allen schmiert er Honig ums Maul. (…) Und dann seine Angeberei. Er will sein kleines Licht heller machen, indem er die Strahlen großer Geister auf sich lenkt. Tolstoi! Rodin! Und so benutzt er auch uns hier. Wenn er Worpswede sagt, meint Rilke nur sich selbst.“[4]

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Die Normsetzung im hierarschichen Prinzip

Im hierarchischen Prinzip findet die Normsetzung statt, durch Beurteilung, Kritik und Bewertung.

Wenn ich Literatur oder ein Bild beurteile, kritisiere oder bewerte, mache ich damit klar, dass ich der Chef bin, der das kann. Und diejenigen, die ich beurteile, erkennen an, dass ich das kann. Sie ordnen sich dem unter.

 

Meine Kompetenz kann ich auf verschiedene Arten beweisen. Durch Festigkeit in der Stimme. Dadurch, dass ich gelernt habe, nicht zu sagen: Ich glaube, das ist ein gutes Bild oder eine gute Literatur, sondern zu sagen: Das ist gute Literatur! Das ist ein gutes Bild! – Das waren die Unterschiede, die man linguistisch im Sprachverhalten zwischen den Geschlechtern festgestellt hat. Frauen und Männer wussten über eine Sache gleichermaßen Bescheid. Die einen pflegten zu sagen: Das ist so! Die anderen sagten eher: Ich glaube, das ist so. Man kann jetzt raten, wer die Männer, wer die Frauen waren.

 

Ein Chef also muss Selbstsicherheit in Auftreten und seinen Überzeugungen unter Beweis stellen.

Dass zu der Einnahme einer Chef-Position neben der Selbstbehauptung noch ganz verschiedene Kriterien, unter vielem anderen auch Reichtum natürlich eine Rolle spielen, sollte hier in unserem Zusammenhang klar sein. Diese sind, das möchte ich hier auch noch einmal explizit erwähnen, nicht nur auf das biologische Geschlecht begrenzt.

 

Gleichwohl ist die Frage: Wie groß aber ist der Einfluss von Männern, die die Mehrzahl bilden unter den Kunstschaffenden in leitenden Positionen? Es sind also noch immer vielfach die Museumsdirektoren, die die Anzahl der Maler im Verhältnis zu den Malerinnen festlegen. Bei allen Leistungen, die man messen kann, ist es einfach und eindeutig, Sieger und Besiegte zu benennen. Doch wie verhält es sich bei Kunstwerken? Kunstwerke sind unvergleichlich. Kein Bild gleicht dem anderen. Keine Literatur kann man mit einer anderen vergleichen. Von keinem Film kann man sagen, dass er besser sei als der andere. Ist das hierarchische Prinzip das angemessene, um Normen zu setzen durch Beurteilung, Kritik und Bewertung? Nach welchen Kriterien wird beurteilt?

 

Seit 1901 wird der Nobelpreis verliehen. Seit der ersten Verleihung haben insgesamt 119 Literaturschaffende den Nobelpreis erhalten. Darunter befinden sich 102 Männer (85,7 %) und 17 Frauen (14,3 %).

 

Die Menschen nehmen die Welt verschieden wahr. Das haben wir oben gesagt. Sie bilden verschiedene ästhetische Geschmacksbildungen heraus. Einige davon könnte man als männerspezifisch sehen, andere als frauenspezifisch. Wenn aber der Mann immer noch vielerorts als der Normgeber gilt, aus dessen Augen die Frau in der Kunst beurteilt, kritisiert und bewertet wird, hat die Frau es eben schwer.

 

Und weiter ist zu fragen: Wie blickt die Frau auf den Mann? Wie blickt der Mann auf die Frau? Nicht nur als Kunstschaffende, auch als Objekt. Dr. Andrea Jahn, die jetzige Direktorin des Saarlandmuseums, (die sich übrigens nun daran setzt, das zahlenmäßige Ungleichgewicht

zugunsten von Frauen zu verändern) hat uns den geschlechtsspezifischen Blick auf das andere Geschlecht in ihrer Ausstellung „In the Cut“, – damals war sie die Leiterin der Stadtgalerie -, so effektvoll vor Augen geführt. Unter anderem präsentierte sie nebeneinander „L’origine du Monde“ von Gustave Courbet (1866) und die Fotografie von Herlinde Koelbl, die den nackten Unterleib eines Mannes in vergleichbarer Pose abgelichtet hatte.

 

Ich weiß (noch) nicht, welche Wirkung diese gemeinsame Darstellung ausgestellter Frauen- beziehungsweise Männerkörper auf Männer, auf Frauen hatte. Und ob man sie überhaupt empirisch feststellen könnte. Im Laufe der langjährigen Diskussionen darüber, wie man der Frau in der Kunst – und darüber hinaus in den anderen Bereichen, zu gleichrangiger Beachtung verhelfen könnte, sind, vor allem die Frauen, viele Wege gegangen.

 

Auf dem Kunstmarkt haben Frauen versucht, unter Männernamen ihre Kunst der Nichtbeachtung zu entreißen. Bei Bewerbungsunterlagen im Berufssektor gibt es inzwischen Bestrebungen, die geschlechtliche Zuordnung durch Anonymisierung unmöglich zu machen. Andere Frauen haben versucht, durch die sogenannte Appropriation, also ihre Werke dem, was sie als männlich wahrnahmen, anzugleichen.

 

Das alles waren Versuche, das Problem der ungleichen Wahrnehmung zu lösen.

 

Kürzlich habe ich erfahren von der usbekischen Künstlerin Alisa Yoffe, die nun Russland verlassen hat, um von Georgien aus mit ihrer Kunst gegen den Krieg zu kämpfen. Sie sieht, heißt es, „ihre soziale und politische Rolle als Künstlerin darin, ihre eigene Sprache und ihr eigenes Ideensystem zu entwickeln.[5]

 

In ihrer Ausstellung „All girls to the front!“ 2018 in Amsterdam sagte sie: „Die Sphäre der modernen Kunst und das System des Kunstmarktes sind grundsätzlich zutiefst patriarchalisch und bedürfen des Überdenkens und der Umstrukturierung. Gleichberechtigung ist in dem Bereich unmöglich, in dem die Regeln der Männer aufgestellt und Männerspiele durchgeführt werden.“[6]

Alisa Yoffe als einen „reinen Männerclub“ auffasst, in den „wenn überhaupt, Frauen nur als Ausnahme, als Minderheit eintreten.“ Sie hat diesen klassischen Kunstmarkt inzwischen verlassen, sie umgeht ihn, indem sie ihre Kunst direkt auf dem Mobiltelefon vermarktet. [7]

 

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Mögliche Zusammen-Wege

Ich halte diesen kleinen Vortrag in der neuen Gallery Puzić. Esad Puzić- möchte auch neue Wege gehen innerhalb eines Kunstmarkts, der also immer noch männerdominiert ist. Esad Puzić möchte in seiner Gallery Frauen und der regionalen Kunst Raum bieten. Im Unterschied zu Alisa Yoffe und vielen anderen will, wollte ich hier bewusst auf Begriffe, die spalten, die abgrenzen, verzichten. Denn auch diese Art der Kommunikation gehört zu dem hierarchischen Prinzip, das man weniger nachahmen sollte als es zu hinterfragen. Ich glaube, wir sollten eine Art des Umgangs miteinander anstreben, die zusammen führt und nicht abtrennt. Gemeinsam sollten wir eine neue Art der Kunstwahrnehmung anstreben. Man kann weggehen vom Zwang zur vertikalen Einstufung nicht vergleichlicher Kunstwerke, man könnte wegkommen von Konkurrenz, von Beurteilung, Kritik und Bewertung. Man könnte hinkommen, Kunstwerke in ihrem Eigensinn zu betrachten, zu erfassen, sie in ihrem So-Sein wahrzunehmen.

Wäre das ein Ausweg aus der Frage nach „Die Frau in der Kunst“? Ein gemeinsamer, programmatischer Weg von Frau und Mann hin zu einer Kunst, die die Vielfalt der Welt darstellt, ohne Hierarchie, die die Herrschaftsprinzipien, darunter zählt auch der Krieg schlechthin, in Frage stellt und das gemeinsame Ziel, die Erhaltung der Welt, in den Mittelpunkt der Bestrebungen stellt.

Das könnte ein Weg sein mit dem Mann zusammen, und nicht gegen ihn. Solidarität versus Hierarchie. Und vielleicht könnte sich so die Gallery Puzić gegen den herkömmlichen Markt, in diesem Alleinstellungsmerkmal, behaupten.

 

Anmerkungen

[1] Vortrag, 8. März 2023, Gallery Puzić, Saarbrücken

[2] Waltraud Schiffels „Frau werden ist mehr als kein Mann mehr sein“, in: Barbara Kamprad, Waltraud Schffels (Hrsg.). Im Falschen Körper, Zürich: Kreuz-Verlag, 1991, S. 227.

[3] 2015, Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 29.

[4] Klaus Modick: Konzert ohne Dichter, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2015, S.30f.

[5] Politik als Kunstobjekt in Russland – Malerin Alisa Yoffe, auf 3sat.de am 1. Februar 2021.

[5] Interview mit Jo Vickery, Expertin für den russischen Kunstmarkt. In The Art.

[7] Alisa Yoffe malt auf ihrem Handy. Arte.tv. Am 31. Januar 2021.