Autobiographisches Schreiben: ist das Kunst oder kann das weg?

Mit Uschi Schmidt Lenhard, Heiner Weidmann, Bärbel Jenner, Isabelle Cridlig, Natascha Denner, & Medina Ðemal

                                             Kuratiert von Johannes Birringer                                                        

Diskussionsforum Dienstag, 19. März, 19:00 – 20:30 Uhr

Johannisstrasse 3A, 66111 Saarbrücken

Gallery Puzić lädt Sie herzlich ein zu einem Podiumsgespräch über Autobiographie und Autofiktion, in Anwesenheit mehrerer Autor*innen, Künstler*innen und Literatur-wissenschaftler*innen, die über die Frage diskutieren, warum Autobiographisches Schreiben in jüngster Zeit solch einen hohen kulturellen Stellenwert erreicht zu haben scheint.

Warum interessieren wir uns für das Leben Anderer? Besser gesagt, warum schreiben Autoren wie Annie Ernaux, Karl Ove Knausgård, Frank Witzel, Didier Eribon, Anne Rabe, Deniz Utlu (und viele mehr) Bücher, die Einblicke in die Archive des Lebens eröffnen, des individuell und kollektiv gelebten Erfahrenen, einer Familiengeschichte, eines persönlichen konfliktbeladenen Werdegangs, eines Exilschicksals, einer erinnerten, vielleicht nur imaginierten Kindheit, eines Altwerdens und Sterbens?

Das Leben der Anderen? – Ist es wie unser eigenes, d.h. stellen Leser immer Assoziationen und Beziehungen her, suchen das Ähnliche? Fürchten sie nicht auch die Denunzianten, hingebungsvolle IMs, die wie leidenschaftliche Liebhaber alles geben, was sie können? Sind autobiographische Geschichten etwa, wie Uschi Schmidt Lenhard (Mitherausgeberin der Anthologie Andere Menschen sind anders [Blattlaus Verlag 2023]) vorschlägt, vielleicht sogar der Literatur übergeordnet? Sind Autobiographien anmaßend, wenn man z.B. vergleicht, was Daniela Strigl hinsichtlich zweier Biografien – über Alma Mahler und Tochter Anna Mahler – behauptet: „Eine Biografie zu schreiben ist immer eine Anmaßung.“ Ist dieses Anmaßende was wir suchen, diese Übertreibung oder Unterwerfung unter das Sentimantale, das Nostalgische der Erinnerung?

Man kann vielleicht ähnlich über konstruierte Autofiktionen denken, und gibt es nicht auch viele Beispiele aus der bildenden Kunst, wo man annehmen könnte – dies ist autobiographische Performance, ein Selbstporträt? Was macht Yoko Ono in der „Cut Piece“ (1965) Performance? Was treibt Rebecca Horn an, zum Einhorn zu werden in einer ihrer skulpturalen Performances? Was lernen wir aus der grossen Ausstellung „Selbstporträt“ der Wiener Aktionskünstlerin Valie Export (Berliner Fotogalle C/O)? Warum zeichnet Isabelle Cridlig unendliche Linien einer intuitiven Baum-Geometrie flüssig-gewordener Lebensdauer («durée»), die sie am Vormittag des Diskussionsforums ausbreitet, auf fast 30 Meter langen Papierbahnen? Was hat Autobiographie mit Kunst zu tun?

 

Photos courtesy of Mirsad Puzić & Johannes Birringer

 

Isabelle Cridlig, "Végétalité [baobab]"
Isabelle Cridlig points to seed of the lines